Sehr geehrter Herr Hahn,

Sie haben die Gründung einer kreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft abgelehnt mit der Begründung, man brauche keine Bürokratie. Es reiche, im sogenannten Frankfurter Bogen mehr Bauland zu schaffen. Dahinter verbirgt sich die liberale Theorie, der Markt regelt alles. Wenn irgendwann genug Wohnungen am Markt sind, fallen die Preise.

Sie wissen, dass diese Theorie nicht aufgeht. Bei Baupreisen von ca. 2.800 Euro pro qm Wohnfläche ohne Grundstück. Je nach Lage kommen noch Grundstückspreise von 200 Euro – 2.500 Euro in den Metropolen pro qm hinzu. Selbst in Butzbach sind 3.000 Euro kaum zu halten. Wie setzen sich nun die Mietpreise zusammen? Für die Finanzierung derzeit rund 2 Prozent Zinsen, 2 Prozent Abschreibung, weil ja die Gebäude nach rund 50 Jahren generalsaniert werden müssen (Siehe Hochhaus Butzbach 4.000 Euro Kosten pro qm) und 1 Prozent für die laufenden Kosten und Instandhaltungen bei Mieterwechsel.

Dies bedeutet: 5 Prozent von 3.000 Euro sind 150 Euro pro Jahr, entspricht einem Mietpreis von 12,50 Euro im Monat. Nur wenn Zuschüsse von 1.300 bis 1.500 Euro pro qm bezahlt werden, wie z.B. beim Bau von Sozialwohnungen, ist ein Mietpreis von ca. 6,50 Euro pro qm realistisch.

Bei frei finanzierten Wohnungen von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wird in der Mietpreiskalkulation die Gebäudeabschreibung meist nicht berechnet. So kommt man auf Mietpreise um die 8 Euro pro qm. Diese Kalkulation führt aber dazu, dass keine Rücklagen für Sanierungen gebildet werden können. Sind die Gebäude renovierungsbedürftig und die Kommune nicht in der Lage, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, kommt es zum Verkauf an Investoren, und somit zum Wegfall von bezahlbarem Wohnraum. Das haben in den vergangenen 20 Jahren viele Städte zwangsweise so praktiziert.

Günstiger kann Wohnraum nur angeboten werden, wenn sowohl die Baukosten als auch Sanierungen durch Zuschüsse subventioniert werden. Das ist eine generelle Abkehr von Gesetzen des „freien“ Marktes, aber leider dringend erforderlich.

Wir müssen die Versorgung mit Wohnraum sicherstellen für Bürgerinnen und Bürger, die den realen Mietpreis nicht zahlen können. Hierfür brauchen wir kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Diese werden erst dann überflüssig, wenn jeder Pfleger und jede Bäckereiverkäuferin wirklich angemessen bezahlt werden und soviel verdienen, sich eine frei finanzierte Wohnung leisten zu können.

Hinzu kommt, der Verbrauch von wertvollem Boden ist nicht sinnvoll. Wir sollten unser Augenmerk auf die Reaktivierung von bereits gebrauchten Flächen legen. In jeder Stadt und in jedem Dorf gibt es genug Flächen, die in Wohnraum umgewandelt werden könnten: leerstehende Industrie- und Gewerbebetriebe, Bürogebäude, Läden, ganze Kaufhäuser oder bäuerliche Betriebe. Dieser Innenentwicklung sollten wir Vorrang einräumen und den stark gestiegenen Flächenverbrauch erheblich reduzieren.

Mit freundlichem Gruß Vera Dick-Wenzel

Vorsitzende der SPD-Fraktion im Butzbacher Stadtparlament

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