Die Wahl von Thomas Kemmerich ( FDP) zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD bedeutet eine Zäsur in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik.

Auch nach Kemmerichs Zurückrudern ist klar: Die Brandmauer gegen die Rechtsradikalen hat einen tiefen Riss. In Teilen von FDP und CDU gibt es eine unterschwellige Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der AfD.

Nur deshalb konnte das unsere Demokratie verhöhnende Spiel der AfD in Thüringen gelingen. Die AfD stellte zum Schein ein eigenen Kandidaten für die Wahl zum Ministerpräsidenten auf, wählt ihn aber nicht und degradiert damit eine demokratische Wahl zum politischen Pokerspiel.

Deshalb wird über die Wahl von Thomas Kemmerich von einem „Dammbruch“ oder „unverzeihlichen Fehler“ gesprochen. Das ist keine Übertreibung, denn schließlich haben CDU und FDP erstmals zusammen mit der AfD einen Ministerpräsidenten an die Spitze eines Bundeslands gewählt. Auch unmittelbar nach der Wahl stimmten CDU und FDP in einer Abstimmung über die Geschäftsordnung mit der AfD. Nach den vielfältigen direkten oder indirekten Kooperationen mit der AFD auf kommunaler Ebene (so auch bei uns im Wetteraukreis zwischen AfD und FDP bei der Wahl der Mitglieder für den Kreisausschuss geschehen) wird deutlich, dass die Abgrenzung des vermeintlichen „bürgerlichen“ Lagers gegenüber der extremen Rechten nun auch auf Landesebene schwindet. Damit leisten CDU und FDP der AfD Hilfestellung bei deren zentralen Ziel: in unserer Gesellschaft gezielt Tabubrüche zu begehen, um damit die Grenzen des Akzeptablen immer weiter zu verschieben. Es begann mit Worten und Forderungen, Menschen zu jagen und zu entsorgen, Gegner*innen an die Wand zu stellen, Homosexuelle wieder ins Gefängnis und die Antifa ins KZ zu schicken, generell die Nazidiktatur zu bagatellisieren ( Fliegenschiss !). Wer heute einen Blick in die Kommentarspalten sozialer Medien wirft, sieht, wie weit sich dieser Duktus bereits verbreitet hat, der letztendlich den Boden für rechtsextreme Straftaten und Morde bereitet.

Der kontinuierliche Versuch der Grenzverschiebung ist aber auch deshalb so gefährlich für unsere Demokratie, weil damit rechtsextreme und menschenfeindliche Auffassungen in Teilen der Bevölkerung enttabuisiert, „normalisiert“ und damit letztendlich noch bestätigt und verstärkt werden sollen. Diesen Vorurteilen, den Ressentiments und dem Menschenhass muss man entschieden begegnen mit einer klaren Haltung, Aufklärung, Widerspruch und – um Adorno zu zitieren – mit Erziehung zu Mündigkeit. Wer rechtsextreme und menschenverachtende Äußerungen unter dem Schutz der vom Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit tätigt, muss vehementen Widerspruch erfahren, um den Grenzverschiebungen Einhalt zu gebieten. Der in unserer freiheitlichen Demokratie unantastbare Maßstab ist und bleibt Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar. […]“. Derjenige, der die Würde anderer Menschen antastet, muss damit rechnen, dass er Widerspruch erfährt. Die SPD kann gar nicht oft genug betonen, dass sie schon aus ihrer eigenen Geschichte heraus, die von Unterdrückung und Verfolgung und Vernichtung gekennzeichnet war, das verlässliche Bollwerk gegen Rechtsextremismus ist!

Michael J. Mentz

Pressesprecher der SPD Butzbach

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